WALDHEIM MÄULESMÜHLE 1979
Aus der Filderzeitung vom 3. August 1979
Wo gehobelt wird, da fallen Späne - die jungen
"Schifflesbauer"
im Musberger Waldheim sind eifrig am Werk. FZ-Fotos: Fuchs
Viele Kinder kommen jeden Sommer in die Mäulesmühle
... wo toben, spielen, sägen und Ferienmachen erlaubt ist
"Motto 79" der Arbeiterwohlfahrt: Spielen in und mit der Natur
LEINFELDEN-ECHTERDINGEN (bic). Für manche Kinder gibt es in der Tat etwas
Erstrebenswerteres als eine Strandpromenade mit den Eltern oder einen heißen
Tag am kühlen Hotel-Swimmingpool: Toben, basteln, planschen, tanzen, Schlammbuddeln und
Staudamm konstruieren ist den Jüngsten meist viel lieber, und so vertauschen sie die Ferien an der Riviera ohne Bedauern mit einem fröhlichen
Kinder-Urlaub in einem Waldheim. Schon seit seinem Bestehen kommen manche
Jungen und Mädchen so auch in das Waldheim bei der Mäulesmühle in Musberg.
Das sind immerhin fünf Sommer, die sie in dem lauschig gelegenen, großen Haus
neben der idyllischen alten Mühle verbracht haben.
Schon von Ferne tönt einem Hämmern,
helles Gelächter und Wasserplätschern
entgegen. Einige kleine Buben sind eifrig
damit beschäftigt, ein murmelndes Bächlein aufzustauen. Bei solch einem wichtigen Geschäft kann man schließlich nicht
auch noch auf Kleinigkeiten wie Flecke an
der Hose achten, aber im Waldheim Musberg schimpft deshalb niemand. Vor
dem großen Gebäude bearbeiten Kinder
voll Hingabe längliche Holzstücke. "Ich
bau' ein Boot", erklärt der zehnjährige
Ingo mit Würde. Wie lang er dazu wohl
braucht? Das weiß er nicht, er nimmt ein
derartiges Projekt zum erstenmal In Angriff. Viele Jungen und Mädchen haben es
Ihm schon gleichgetan, und die Früchte
Ihrer Hobel- und Schmirgelkünste sind in
einem geräumigen Zelt unweit des Hauses
ausgestellt.
Tanz und Tischtennis
Aus dem Haus dringt Musik. In etwas
unkontrolliertem Reigen hüpfen große und
kleine Mädchen im Kreis herum, bleiben
unvermittelt stehen, legen nachdenklich
den Finger an die Nase, und nach kurzer
Absprache mit der Partnerin bringen sie
das Ergebnis ihrer Überlegungen in Form einer neuen Schrittfolge aufs Parkett. Im
Nachbarraum wird hart um Punkte gekämpft. Ein Tischtennismatch jagt das andere.
"Tischtennis ist meine Lieblingsbeschäftigung", erklärt Günther, zehn Jahre. „Ich gewinne auch meistens .. ."
Die Aufsicht über die ausgelassene Horde führen Marianne Becker, Leiterin der
Arbeiterwohlfahrt Leinfelden-Echterdingen und Helmut Schärich, Vorsitzender des
AWO-Ortsvereins. Ihnen stehen noch neun
Helfer zur Seite. „Personell haben wir einige Probleme", meint Helmut Schärich
sorgenvoll. Es sei nicht leicht, Helfer zu bekommen, die sich für ein Taschengeld mit
der „Rasselbande" abplagen würden. Helmut Schärich und Marianne Becker haben
ihre kleinen Feriengäste jedoch offensichtlich ins Herz geschlossen. Papa Schärich
leimt handgesägte Vogelhäuschen zusammen und steht den jugendlichen Bootsbauern mit Rat und Tat zur Seite. Auch Marianne Becker muss bei Kleinkriegen, Wehwehchen und allzu waghalsigen Kunststücken schlichtend und vorsorglich zur
Stelle sein.
"Lieblingsspielzeug" Bach
"Der Bach ist immer noch das allgemeine Lieblingsspielzeug," versichern die beiden
lächelnd. Und prompt taucht schon ein
kleines Mädchen auf, über und über mit
Dreck beschmiert, die Augen empört aufgerissen: „Der Matthias hat mich vollgeschmissen", klagt sie den Übeltäter an. Marianne Becker versichert ihr, das man das
alles wieder abwaschen könne. Eine Rüge
für die beiden Kampfhähne gibt es auch.
Das diesjährige Motto der Arbeiterwohlfahrt hat hier lebendige Formen angenommen: „Spielen in und mit der Natur".
„Bei uns machen die Kinder alles, was
sie zu Hause nicht dürfen", seufzt Marianne Becker ergeben. Kein Wunder also, dass
so viele der Sechs- bis Dreizehnjährigen
Jahr für Jahr wiederkommen. Vormittags
gibt es immer ein Gruppenprogramm. Da
ziehen die Kleinen ins Schwimmbad, auf
einen Aktivspielplatz oder auf den Bolzplatz. Gestern durften sich
große und kleine Leckermäuler eine Schokoladenfabrik
von innen betrachten.
Essen aus dem Altersheim
Das Essen kommt täglich aus der Küche des nahen Altenheimes. So ist die geplagte Mutter von allen
Sorgen befreit, wenn die Sprösslinge nach 18 Uhr müde, glücklich und wieder etwas mehr
braungebrannt zu Hause aus dem Bus klettern.